Als ausgebildeter Ernährungstrainer und Enthusiast in Sachen Lebensmittel bin ich immer wieder mit folgender Frage konfrontiert: Das ganze Lebensmittel oder nur einen Teil davon essen? Ich habe zu dieser Frage, generell und spezifisch zu Hanfsamen, viel recherchiert, mit äußerst interessanten Erkenntnissen.
Ganze oder geschälte Hanfsamen, was ist besser? Eindeutig geschält! Warum?
- Die Schale besteht hauptsächlich aus Ballaststoffen, und auch davon gibt es ein Zuviel des Guten.
- In der Schale befinden sich die meisten Antinährstoffe, welche unter anderem die Mineralstoffabsorbtion hemmen.
- Der Gehalt an wertvollen Fetten und Proteinen relativ zum Gesamtgewicht ist wesentlich höher ohne Schale.
Viele Menschen wählen den ungeschälten Hanfsamen weil er günstiger ist, für manche Anwendungen auch zurecht. Die meisten Menschen sollten aber besser zu geschälten Samen greifen. Für wen und wofür ist welche Variante die richtige? Lest weiter!
Ballaststoffe in Hanfsamen, zu viel des Guten?
Vermutlich haben die wenigsten von Euch Ballaststoffe je kritisch oder gar negativ betrachtet. Gelten sie doch weitgehend als Stützpfeiler einer guten, gesunden Ernährung und Verdauung. So leicht ist es dann aber doch nicht. Ballaststoffe sind zunächst pflanzliche Faserstoffe ohne wirklichen Nährwert. Ernährungsphysiologisch gesehen erhöhen sie lediglich das Volumen der Nahrung, was dem gesunden Verdauungtrakt beim Weitertransport des Nahrungsbreis hilft.
Im Dschungel der Ernährungsratgeber werdet Ihr Stimmen finden, die Ballaststoffen eine äußerst gesunde, blutzuckerregulierende und reinigende Wirkung zuschreiben, entsprechend dem allgemeinen Tenor. Ihr werdet aber auch Vertreter der Meinung finden, dass Ballaststoffe bestenfalls verstopfen und schlimmstenfalls sogar einen löchrigen Darm, den gefürchteten „Leaky Gut“ verursachen. Das Thema würde im Detail leider den Rahmen sprengen. Ich persönlich kann beiden Theorien das ein oder andere abgewinnen und habe daraus die Lehren für meinen Verdauungstrakt gezogen.
Ballaststoff ist nicht gleich Ballaststoff

Ballaststoffe aus Getreide, Hülsenfrüchten, Nüssen, Kernen und Samen sind härter als jene aus Grünzeug oder Gemüse. Und die sind immer noch härter als jene aus Früchten. Je weicher die pflanzlichen Fasern, um so schonender und hilfreicher für den Verdauungsapparat. Jemand mit gesundem, eisernen Darm kann aus dem Vollen schöpfen und quasi essen was er oder sie will. Die meisten von uns sind da aber etwas sensibler. Bedingungslose Vollkorn-Ernährung richtet dann oft mehr Schaden an als sie nutzt. Der Mensch hat Nahrungsmittel schon immer verarbeitet oder zumindest verändert, um sie bekömmlicher zu machen. Und im Falle der Hanfsamen macht dies absolut Sinn. Auch was die schiere Menge an Ballaststoffen betrifft.
Menge an Ballaststoffen in Hanfsamen
Ganze Hanfsamen beinhalten über 30 Gramm Ballaststoffe je 100 Gramm. Frisches Obst und Gemüse enthalten nur zwischen 1 und 2 Gramm. Natürlich haben Gemüse und Samen ganz unterschiedliche Kaloriendichten. Aber nehmen wir als Beispielmahlzeit einen Salat mit 300 g Gurke und 30 g ganzen Hanfsamen als Garnitur oder damit was zum Knabbern dabei ist. Dann kämen 3 g Ballaststoffe aus dem Gemüseanteil und 10 g aus dem Knabberanteil. Und diese 10 g sind wie erwähnt wesentlich fordernder für den Darm.
Die meisten Verdauungsapparate wären mit einer ständig hohen Zufuhr härterer Ballaststoffe überfordert und reagierten mit Blähungen, Verstopfung, Völlegefühl. Ich fände es wahnsinnig schade, wenn solche Erfahrungen den Menschen die Freude an pflanzlichen Nährstoffbomben wie Sesam, Sonnenblumenkernen, Kürbiskernen oder eben auch Hanfsamen nehmen. All diese wunderbaren Lebensmittel gibt es in geschälter Version mit kaum Ballaststoffen. Hanfsamen enthalten dann statt der ursprünglichen 30 nur noch bescheidene 2 bis 4 Gramm davon.
Hanfsamen und Antinährstoffe
Im Internet kursieren Stimmen die behaupten, Hanfsamen wäre frei von jeglichen Antinährstoffen wie Phytinsäure, Lektinen oder Trypsin. Andere behaupten wieder das Vorkommen in Hanfsamen wäre besorgniserregend. Wieder andere behaupten, pflanzliche Antinährstoffe hätten positive Eigenschaften auf den menschlichen Körper. Und natürlich gibt es Studien für jegliche Behauptung.
Wenn die Studienlage lediglich verwirrt anstatt Klarheit zu schaffen, befrage ich gerne den Hausverstand. Was haben jegliches Getreide, Hülsenfrucht, Nuss, Kern und Samen gemeinsam? Sie dienen der jeweiligen Pflanzengattung als Mechanismus zur Vermehrung. Wie? Indem daraus bei Berührung mit Wasser neues Leben entsteht.
Ein Teil der Antinährstoffe dient dem jungen Pflänzchen als Energiequelle in den ersten Lebenstagen. Ein anderer Teil dient der jeweiligen Pflanzenspezies als eine Art natürlicher Fraßschutz. Pflanzen wollen sich schließlich auch nur vermehren, so auch der Hanf. Warum sollte der Hanfsamen im Laufe seiner Evolution also keine solche Mechanismen entwickelt haben? Ziemlich sicher hat er das.
Nun sind Nüsse, Kerne und Samen definitiv ärmer an solchen Stoffen. Anders als Getreide oder Hülsenfrüchte können wir sie immerhin ohne Probleme roh verzehren. Aber die Antinährstoffe vermindern definitiv ihren Nährwert. Und wie vorhin bereits erwähnt sitzen die Antinährstoffe großteils in der Schale. Dort mögen auch einige der Mineralstoffe sitzen, diesen Kompromiss gehe ich aber gerne ein.
Was man gegen Antinährstoffe tun kann
Wie im Falle des Hanfsamen schon getan, Schälen! Ihr könnt den geschälten Hanfsamen bedenkenlos, wie er ist, aus der Packung über Euer Müsli streuen, er ist in diesem Zustand bereits in jeder Hinsicht ein absoluter Bringer. Ich persönlich weiche meine geschälten Hanfsamen vor der Verarbeitung zu Milch oder Dips ein paar Stunden ein, an disziplinierten Tagen jedenfalls :). Dies setzt die natürliche Enzymbildung in Gange und baut Antinährstoffe ab. Eine einfache Maßnahme und der Nährwert steigt noch mal um einiges an.
Wer es maximal natürlich und wertvoll haben will, besorgt sich ganze Hanfsamen hoher Qualität, weicht diese erst ein, bringt sie zum Keimen und zieht daraus Sprossen. Die jungen Pflänzchen bauen in den ersten Lebenstagen die Antinährstoffe gänzlich ab, vervielfachen die Gehälter an Mikronährstoffen, verändern ihre molekulare Struktur und werden für den menschlichen Körper noch leichter und besser verwertbar. Ich muss wohl nicht erwähnen dass dafür ein gewisser Grad an Hingabe, Liebe und Disziplin nötig ist. Wer dies aber erfolgreich in seinen Alltag integriert, dem bietet sich die Möglichkeit zu regelmäßiger Versorgung mit äußerst wertvollem und vor allem äußerst günstigen Superfood.
Makronährstoffverteilung Hanfsamen geschält vs. ungeschält

Der ungeschälte Hanfsamen enthält wie erwähnt über 30 % Ballaststoffe, der geschälte je nach Verarbeitung nur 2 bis 4 %. Wie verhält sich das Entfernen des Großteils der Ballaststoffe auf den relativen Anteil an Fett, Eiweiß und Kohlehydraten?
Kohlehydrate:
Diese sind im Hanfsamen mit einem sehr geringen Vorkommen tendenziell eher zu vernachlässigen. Der ganze Samen hat etwas über 7 g, der geschälte dann etwas weniger als 3 g pro 100 g. Relativ gesehen zwar eine Reduktion von gut 60 %, absolut gesehen aber nur etwas weniger als 4 %. Für jemanden in Ketose könnten diese 4 g allerdings einen großen Unterschied machen.
Eiweiß:
Hier geschieht schon etwas mehr. Durchs Schälen erhöht sich der Gehalt von etwa 20 auf gut 30 g pro 100 g. Eine Erhöhung von 50 % relativ und immer noch 10 % absolut, das ist eine Menge. Vor allem weil wir hier von sehr hochwertigem Eiweiß sprechen. Mehr über das Protein in Hanfsamen und warum es so wertvoll ist erfahrt Ihr in meinem inzwischen sehr beliebten Artikel „Hanfprotein, Aminosäuren und biologische Wertigkeit“.
Fett:
Hier passiert am meisten. Der Gehalt steigt durchs Schälen von etwas über 30 auf über 55 g pro 100 g. Eine Erhöhung von über 80 % relativ und 25 % absolut, das ist sehr viel. Und das Fett im Hanfsamen ist nicht nur von hohem, sondern von geradezu exzellentem Wert. Es besteht hauptsächlich aus den mehrfach ungesättigten Fettsäuren Omega 3 und 6, und zwar in idealem Verhältnis von 1 zu 3. Weshalb auch Hanföl sich zurecht großer Beliebtheit als Nahrungsmittel erfreut.
Ist der höhere Preis für geschälte Hanfsamen gerechtfertigt?
Geschälter Hanfsamen kostet bei gleicher Qualität des Saatguts etwa 50 % mehr. Ist dies gerechtfertigt? Absolut! Und ich denke das haben wir eben hinreichend erörtert. Aber auch aus mathematischer Sicht: Die wertvollsten Bestandteile in Hanfsamen sind ihr Eiweiß und Fett. In Sachen Eiweiß entspricht der höhere Preis ziemlich genau dem Anstieg im Eiweißgehalt, 50 % jeweils. In Sachen Fett erhält man für 50 % mehr Geld eine Erhöhung von über 80 %, mehr vom Guten fürs gleiche Geld. Die Vorteile durchs Schälen überragen die wenigen Nachteile bei weitem.
Nur geringe Nachteile durchs Schälen
Ich will aber natürlich auch diese erwähnen. Zunächst verliert der Samen durchs Wegfallen der Schale seine Keimfähigkeit. Wer also Hanfsprossen ziehen will oder vielleicht auch Hanfgras zum Entsaften, wählt bitte wie vorhin schon erwähnt hochwertige ungeschälte Samen. Dies führt zum nächsten eventuellen Nachteil: Geschälte Hanfsamen sind weniger lange haltbar. Ich sage „eventuell“ deshalb, weil ich jedem Menschen gut und gern einen Kilogramm geschälter Hanfsamen monatlich empfehle. Bei richtiger Lagerung ist da von Verderb keine Spur. Es entfällt also lediglich die Option zur Nachlässigkeit und Bequemlichkeit, und dies sollte im Rahmen des Themas Ernährung wohl wirklich keine Rolle spielen.
Fazit
Haben wir die Wahl, sollten wir definitiv zu geschälten anstatt zu ganzen Hanfsamen greifen. Sei es aufgrund der Menge und Art der Ballaststoffe, eventueller Antinährstoffe, oder aufgrund der viel geringeren Anteile an hochwertigem Fett und Eiweiß im ungeschälten Hanfsamen. Der etwas höhere Preis für die geschälte Variante ist mehr als gerechtfertigt. Ganze Hanfsamen empfehle ich nur jenen Seltenen, die vorhaben ihn zu keimen.
Für jene, die nun möglichst schnell geschälte Hanfsamen probieren möchten, hier meine absolute Top-Empfehlung, aus österreichischem Anbau: